Elfenbeinmöwe

2 Grad über Null, Nieselregen.
An diesen Anblick muss man sich wohl im norddeutschen Flachland zur Winterzeit gewöhnen. Schwierig für den Fotografen wenn der Kunde Winterimpressionen wünscht.
Die Vorschauen der Wetter-Modelle versprechen leichte Änderung, das Thermometer sinkt für ein paar Tage unter Null. Kein Wunder wenn man sich schon mit zartem Raureif und einem halben Grad unter Null zufriedengibt – immerhin eine Chance, Hauchwolken ausatmende Schafe und monochrome Landschaften in Szene zu setzen.
An jenem Morgen im Januar war etwas anders. Ein Hauch Winter lag in der Luft. Ich war schon vor dem Sonnenaufgang an der Westküste auf der Eiderstedter Halbinsel unterwegs, als mir vor dem Deich, auf und hinter dem Deich, sowie in den Dünen sagar am Strand eine Heerschar von Ornithologen auffiel, die allesamt mit Spektiven und dicken Objektiven um den Hals aufgeregt durch die Gegend liefen – und mit starren Blicken den Horizont absuchend.
Ich versuchte die scheinbar Getriebenen zu ignorieren und mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Aber egal wo ich mich befand, es war schon jemand vor mir dort – ein Ornithologe.

Den Morgen des sonnigen Tages umgab tatsächlich ein Hauch von Winter, aber schon zur Mittagszeit war der Raureif verschwunden und ausschließlich an schattigen Stellen waren Reste der winterlichen Erscheinung geblieben – und die Ornithologen– die waren auch noch da. Ihre Gesichter verrieten, dass sie gefunden hatten, was sie suchten.
Einsam am Strand neben einem verrosteten Fass saß ein kleiner weißer Vogel, dessen Name dank „Siri“ schnell ausgemacht war. Die Elfenbeinmöwe.
Äußerst selten in unseren Gefilden, na klar –ansonsten nicht so viele Ornithologen. Das letzte Mal vor 20 Jahren in St Peter Ording gesichtet und ein eher arktischer Geselle.
Vielleicht wäre der Tag nur halb so aufregend mit ein wenig Raureif und Hauchwolken ausatmenden Schafen, als mit all den motivierten Vogelkundlern und deren Freude über das einzige Elfenbeinmöwen-Exemplar in Europa am Strand von St. Peter Ording.